Wir verstehen uns als einen Teil eines globalen und vielseitigen Kampfes für gesellschaftliche Befreiung, in dem es unzählige Teilaspekte gibt, welche häufig ineinander greifen. Als Anarchist*innen (1) liegt unser Hauptaugenmerk darin, innerhalb und durch diese Kämpfe Hierarchien jeglicher Form zu minimieren und somit den Weg in eine freiheitliche, selbstbestimmte Zukunft zu bereiten.
Die Gesellschaft in welcher wir leben ist durchsetzt von verschiedensten Formen von Hierarchie (2) welche dauerhaft, sowohl bewusst wie auch unbewusst, bestimmte Personen(-gruppen) unterdrücken, benachteiligen und diskriminieren. Sei es beispielsweise das Patriarchat (3), Rassismus oder die Tierausbeutung. Wir arbeiten auf eine Gesellschaft hin, in welcher jedes Individuum und seine Selbstverwirklichung innerhalb der Gemeinschaft gleichermaßen im Fokus stehen. Unsere Utopie (4) ist frei von Zwängen, Machtausübung und Unterdrückung.
Befreite Gesellschaft und der Weg dort hin
Wir haben eine Vorstellung auf welchen Grundsätzen ebendiese Gesellschaft aufgebaut sein sollte, möchten und können allerdings keinen einheitlichen Festen Weg zur Erreichung dieser vorgeben, da sich die Gesellschaft in welcher wir uns bewegen sich im stetigen Wandel befindet. Anarchismus kann eine Vielfalt unterschiedlicher Entwürfe beinhalten. Wir möchten keine expliziten Handlungsstrategien festlegen, da diese in der Zukunft anderen Alternativen im Wege stehen würden. Wir sehen anarchistische Gesellschaftsentwürfe nicht als starre Konstrukte an, sondern möchten diese stetig reflektieren, in Frage stellen und diskutieren. Nur so können wir uns weiterentwickeln. Wir warten nicht auf „die eine Revolution“ nach der alles plötzlich fabelhaft ist oder den Zusammenbruch der herrschenden Ordnung, sondern betrachten gesellschaftliche Veränderungen als einen Prozess für welchen wir uns tagtäglich engagieren. Wir möchten uns einen utopischen Gedanken an diese Form der Gesellschaft beibehalten. Auf dem Weg in die befreite Gesellschaft betrachten wir es als unabdingbar den Kapitalismus als herrschendes System zu überkommen. Das kapitalistische System schafft durch Lohnarbeit, Klassismus und dem rücksichtslosen streben nach stetigem Wachstum einige zentrale Unterdrückungsmechanismen welche unserer Vorstellung entgegen stehen. Deshalb betrachten wir uns als anti-kapitalistisch. Es ist uns jedoch bewusst, dass der Kapitalismus nur eine Form der Unterdrückung darstellt und jedoch weitere Unterdrückungsmechanismen auch nach der Überwindung des Kapitalismus vorhanden bleiben werden. Durch die Abschaffung des Kapitalismus ist die Gesellschaft nicht gleich befreit, dafür bedarf es einer weitaus tiefer greifende Veränderung im Bewusstsein aller Menschen. Unsere Utopie der befreiten Gesellschaft beinhaltet die Abschaffung jeglicher Herrschaftsverhältnisse. Sie ist antikapitalistisch. Sie ist antirassistisch. Sie ist antifaschistisch. Sie ist feministisch und emanzipatorisch. Sie ist anti-autoritär. Wir möchten ebenso betonen, dass wir nicht-menschliche Tiere (5) in unsere Forderung nach Befreiung einbeziehen. Unsere Utopie zielt auf die größtmögliche Freiheit aller Individuen ab.
Politische Praxis und Theorie
Um einer befreiten Gesellschaft und der Anarchie näher zu kommen, sehen wir das größtmögliche Potenzial im gesellschaftlichen Aufzeigen und Bewusst werden über verschiedenste Unterdrückungsmechanismen. Auch das Vorleben von fortschrittlichen alternativen Lebensentwürfen eignet sich unserer Meinung nach dazu Veränderungen herbeizuführen und zu etablieren. Der Anarchismus bietet uns die Möglichkeit, unser Handeln permanent zu reflektieren und so Unterdrückungsmechanismen und das eigene Handlungspotenzial zu erkennen. Als wichtigen Schritt betrachten wir den Aufbau von dezentralen Strukturen (6) um so Bedingungen für eine befreite, selbstbestimmte Gesellschaft schaffen zu können. Diese Grundlagen können nicht unter Zwang umgesetzt, sondern müssen von den Menschen selbst gewollt und genutzt werden. Wir möchten der direkten Aktion (7) die gleiche Wichtigkeit wie der Theorie zuschreiben. Es ist nicht oberste Priorität, zuallererst theoretische Kenntnisse zu entwickeln. Die direkte Aktion sehen wir im gleichen Maße als notwendig und gleichrangig mit der Theorie an. Es bedarf keiner Studie von Fachliteratur, um zur Praxis zu schreiten.
Wir als Kollektiv (8)
Aus dem Anspruch eine Veränderung der Gesellschaft herbei zu führen, haben wir uns als Kollektiv zusammengefunden. Das bedeutet für uns, dass wir auch innerhalb unserer Gruppe Hierarchien minimieren möchten. Einscheidungen treffen wir grundsätzlich nach dem Konsensprinzip (echte Zustimmung aller beteiligten Personen) und Repräsentant*innen werden nur auf kurze Zeit festgelegt um diese ständig wechseln zu können.
Für die Freiheit! Für die Anarchie!
Fußnoten/Erklärungen
(1) griechisch an archia = keine Herrschaft; die Abwesenheit von Macht und Hierarchie von Menschen über Menschen sowie nicht-menschlichen Tieren
(2) Rangordung; es gibt Macht ausübende Personen, welche andere Menschen und Tiere dadurch unterdrücken
(3) abgeleitet aus dem altgriechischen patér = Vater, arché = Macht, Herrschaft, Anfang, also wörtlich „Herrschaft der Väter“, meint ein System männlicher Dominanz und Verfügen über Macht, welches unterdrückend und ausbeuterisch ist
(4) Utopie ist meist der Entwurf oder die Idee einer alternativen, anderen Gesellschaftsordung und Lebensform
(5) Tiere werden durch den Menschen durch verschiedene Formen ausgebeutet, siehe auch ‚Speziesismus‘
(6) Gegenentwurf zur zentralen Struktur beispielsweise eines Staates; stattdessen selbstverwaltete Organisationen, Kollektive, Gewerkschaften oder Politgruppen, welche keiner/einer geringeren Hierarchie unterliegen und frei agieren können
(7) Betroffene werden bei einem Anliegen unmittelbar zur Durchsetzung ihrer Interessen tätig, z.B. durch einen Streik oder eine Demonstration; grenzt sich von Handlungen wie z.B. dem Verfassen von Petitionen oder das Stellen von Forderungen an eine Partei oder ähnlichem ab
(8) freiwillige Organisation verschiedener Menschen, es wird ein großer Wert auf Gleichberechtigung gelegt, Entscheidungen werden nach dem Konsensprinzip (übereinstimmende Meinung von Personen zu einer bestimmten Frage ohne verdeckten oder offenen Widerspruch) getroffen